1. Akt: Die Gesetzgebung

Recht geht vor Macht.

Nun ja.

Aber wie wird Recht denn gesetzt?

Na vom Volk.

Ach so?

Na klar! Das Volk wählt in freier Wahl Abgeordnete, die üben ein freies Mandat aus, und die Mehrheit entscheidet.

Wie geht das denn konkret?

Na ja, meist gibt es da einen Entwurf, und ...

Wer macht denn den?

Ich glaube, irgendeiner im Ministerium.

Ach ein Beamter! Das ist gut. Der arbeitet bestimmt für das gemeine Wohl.

Na ja, um ehrlich zu sein: ich hab mal gehört, dass große Anwaltskanzleien jetzt Mitarbeiter direkt in den Ministerien haben.

Das ist doch nicht schlecht. Deren Mandant ist dann ja das ganze Volk.

Schon, das sagen die auch ... aber wenn diese Leute sonst immer nur für Großunternehmen arbeiten ... meinst Du, die haben wirklich das Mehrheitswohl im Blick?

Hm.

Wusstest Du übrigens, dass auch allerhand Verbände in die Gesetzgebung eingebunden werden? Da gibt es Vorschläge, Veränderungswünsche, Sachverständigenanhörungen, ...

Ja, das ist doch bestimmt sinnvoll. Da kommt das ganze Fachwissen der Praxis zum Tragen.

Sicher ... meinst Du denn, da sind Unternehmen und Betroffene gleich stark repräsentiert?

Wäre eigentlich komisch. Die Großunternehmen können sich bestimmt mehr und teurere Anwälte leisten. Und Sachverständige arbeiten ja auch nicht aus Spaß, sondern verdienen Geld mit ihrem Wissen. Sicher arbeiten die auch lieber für den, der mehr zahlt.

Da hast Du natürlich recht.

Aber am Ende entscheiden doch die Abgeordneten?

Klar. Die haben ja auch bloß alle paar Stunden ein paar tausend Seiten Gesetzesentwürfe durchzuarbeiten, zu verstehen und in den Gesamtkontext der Rechtsordnung einzupassen und sämtliche Folgen abzuschätzen ... das schaffen die locker.

Hm. Aber wenigstens vom Namen her wissen sie doch in der Regel, worum es geht.

Klar! Wusstest Du, dass die Trennung von Zivilprozessen – dass, wenn mehrere Leute auf einmal geklagt haben, doch wieder jeder für sich allein prozessieren und das Gericht bezahlen muss – vom „Rechtsbehelfsbelehrungs-Einführungs-Gesetz“ stark erleichtert  wurde?

Nein, da wär ich jetzt nicht drauf gekommen.

Oder dass das „Gesetz zur weiteren Fortentwicklung des Finanzplatzes Deutschland“ die Verjährungsregelungen verändert hat? Drei statt 30 Jahre hast Du seit 1998 Zeit, um einen Schadenersatzanspruch geltend zu machen, wenn Dich einer beim Wertpapierhandel betuppt hat.

Hätte man das nicht „Schadenersatzverhinderungsgesetz“ nennen müssen?

Warum denn? Das „Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz“ heißt doch auch nicht „Marktbereinigungsgesetz“, obwohl damit lediglich die großen Akteure der Finanzbranche die kleinen aus dem Spielfeld schubsen.

Ist ja fies!

Tja ... ist aber immer so, dass neue Gesetze nur einen Teil der Veränderung im Titel tragen. Den schönen Teil, versteht sich - nennt man "Gesetzes-Marketing". Kein Politiker wäre so wahnsinnig, das "Opferrechte-Stärkungsgesetz" als "Beschuldigtenrechte-Abbaugesetz" oder "Unschuldsvermutungs-Herabsetzungs-Gesetz" zu verkaufen. Und ich sag Dir, demnächst kommt das "Strafrechtspflege-Funktionsverbesserungs-Gesetz" ...

Hört sich doch gut an.

Eben!

Und?

Na es wird natürlich nichts weiter als ein Beweisantrags-Verhinderungs-Gesetz.

Das hört sich ja nicht so toll an.

Eben!

OK, ich glaube jetzt hab ich verstanden was Du mir sagen willst. Ich werde mal die Augen aufhalten, ob ich weitere Beispiele für solche Nur-der-schöne-Teil-Etiketten finde ...

Tu das! Aber denk dran, wenn Du Gesetze über "Unkrautvernichtungsmittel" suchst, musst Du unter "P" gucken!

Warum dieses?

Pflanzenschutz ...

Ah ...

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