Wahlrechtsreform: Plädoyer für das "Grabensystem"
von Dr. Christian Naundorf
Nachdem Dr. Naundorf sich schon in seinen prä-juristischen Zeiten, mehr aus mathematisch-stochastischer als aus rechtlicher Perspektive, mit dem deutschen Wahlrecht befaßt hatte, s. dazu ganz unten auf der Veröffentlichungen-Seite - die beiden ältesten Einträge überhaupt -, schaltet er sich nun erneut in die Diskussion ein, nachdem die Lage seit Jahren völlig verfahren ist: alle wissen, dass es "so" nicht weitergehen kann; alle wissen, dass der Bundestag sich weiter aufblähen wird, wenn nicht gegengesteuert wird; aber keine parteiübergreifende Mehrheit kommt zu Stande, die das nachhaltig sinnvoll ändern könnte.
Also muss eine Reform her, die "radikal" ist - heißt: das Problem "an der Wurzel" (Radix) packt -, und dazu gibt es einen Weg, der im Ergebnis radikal, in der Durchführung und Umsetzung aber ganz unscheinbar und ganz einfach ist, und der breiten Bevölkerung noch nicht einmal das Gefühl gibt, es hätte sich irgend etwas Wesentliches geändert ... Das ist das sog. Grabensystem.
Heißt was? Heißt, dass die Hälfte der Sitze über die Erststimme, die andere Hälfte über die Zweitstimme vergeben wird. Einfach - oder?
Wie bitte? Was sagten Sie eben? Sie haben gedacht, das wäre ohnehin so? Siehste - eben! ... Aber denkste, von wegen! So ist es nämlich nicht; und genau das war und ist das, durch Nichtstun weiter anwachsende, Problem.
Zeitschrift für Parlamentsfragen (ZParl) Heft 4/2020, S. 927 f.